Die Herausforderung dieses Jahres in Frühjahr: den Hausarrest zu akzeptieren.
Nach einem sehr spontanen Aufbruch, nachdem die Schließung der Grenzen angedroht war und ich tatsächlich, da ich die Sache nicht besonders erst genommen habe, weder persönliches Beschäftigungs-Material, noch warme Socken (!!! so was, keine warmen Socken und geschlossene Läden) mitgenommen hatte, war ich erstmal sehr, sehr stinkig...nachdem ich kapiert habe, dass die ganze Angelegenheit etwas länger dauert. Man will doch nicht festhocken und nichts machen: der lange Weg zu Akzeptanz. Zurück zum Anfang. Die ersten zwei Wochen waren kein Problem: Business as usual: Frühjahrsputz im Ferienhaus, jede Ecke, jedes Fenster, jedes Kissen, putzen und waschen. Dann wurde aber immer klarer und klarer, dass wir dieses Jahr ein finanzielles Problem haben werden, da wir in der Tourismus-Branche arbeiten und alles, was so dazu gehört, aber das ist ja bekannt und ich will darauf nicht eingehen, da keine wirkliche Lösung in Sicht ist! Zurück zum Hausarrest, der in Frankreich so geregelt war, das man sich sogar Passierscheine besorgen musste
(selber ausdrucken, dazu braucht man aber einen Drucker...), auch für den Weg zum Supermarkt, man durfte nur im Notfall aus dem Haus. Dann bin ich sauer geworden, konnte mit der Situation schlecht umgehen....das erste Mal in unserem Zweisein, dass wir unser Ferienhaus mit dem ganzen Naturschutzgebiet - ohne etwas machen zu können - wirklich für uns hatten. Das traumhafte Haus, die traumhafte Natur um uns herum, es war schon immer eher ruhig hier, jemand meinte mal zu mit er habe gemerkt, dass Montag war, weil ihm beim morgendlichen Joggen ein Auto entgegen gekommen ist, ein Hund unterwegs war und der Traktor auf dem Feld, aber jetzt ist es ruhig und friedlich, wirklich friedlich, da auch keine Flugzeuge mehr über uns hinwegziehen und der wenige tägliche Verkehr mehr oder weniger zum Stillstand gekommen ist. Es ist wirklich schwierig für mich den Sinn zu sehen. Wir sind hier Mitten in der Landeschaft, auch zu normalen Zeiten sind hier kaum Leute und ich kann nicht behaupten, dass ich hier wirklich jemals schon eine große Ansammlung von Menschen gesehen habe. Geoff will die Reparaturen am Haus machen, die schon lange fällig waren und zu denen immer die Zeit gefehlt hat, aber der Weg zum Baumarkt ist weit, wir wissen nicht, ob der Passierschein gilt, nur um am Ende aller Gedanken herauszufinden, dass Baumärkte eh geschlossen haben!!! Damit war auch meine Ideen den Garten auf Vordermann zu bringe gescheitert, da die Schließung auch die Gärtnereien betroffen haben (und sie haben lange nicht mehr aufmachen dürfen, bei den Baumärkten haben sie nicht so lange durchgehalten....). Interessant, ich befinde mich im Paradies und bin sauer, gestresst und missmutig. Dazu kommt noch eine Art schlechtes Gewissen. Familien, die mit Kindern in Großstädten in ihren Wohnungen eingesperrt sind. Wir haben zwei Häuser, eine große Terrasse, ein Naturschutzgebiet und das zu Zweit. Ich kann es auch nicht mehr ändern, keiner darf sich mehr bewegen, nur 1km Radius von seiner Haustür. Die Pariser dürfen nicht in ihre Ferienhäuser! Wir könnten uns ohne Ende aus dem Weg gehen, aber es bleibt nichts zum Streiten, nur die finanzielle Situation wird belastender und belastender, da die Regierung zwar verspricht, wir aber davon nichts sehen. Geoff versucht's mit dem Finanzamt, aber die Steuern sind trotzdem zu zahlen. Was bleibt? Meine erst Reaktion ist immer lesen, lesen lesen (Bücher habe ich immer dabei aber nicht so viele, habe auf mein Handy umsteigen müssen, ich liebe neuerdings mein Handy!!), und ich habe es verstanden: es ist die Chance ruhig zu werden, vor allem da es sich um eine längere Zeitspanne handelt. Die Chance zu sich selbst zu kommen und Frieden mit und in sich zu finden. Echt, ich versuche nicht mit den Zähnen zu knirschen. Versuche mich mit einem Mandala aus Natur-Materialien, zu dem ich, logischer Weise nie die Zeit hatte. Auch ein langer Weg, selbst Mandalas aus Natur-Materialien brauchen ihre Zeit und ihre Ruhe, vor allem meine Zeit und meine Ruhe. Ich lese wieder, schaffe es nicht, mich nicht zu ärgern: "Man findet sich selbst vor allem in der Natur, weit weg von jeglicher Zivilistion." Habe ich ja jetzt. Kann spazieren gehen ohne jemals jemand zu begegnen (hier kontrolliert nun wirklich keiner, ob ich in meiner Bude bleibe oder nicht), bei uns geht ein Ableger des Jakobsweg vorbei, kein Mensch mehr! Leicht gelesen, sehr schwer umgesetzt, ich kann mich einfach mit dem Paradies nicht anfreunden. Dabei liebe ich dieses Haus und unser Naturschutzgebiet. Bin tatsächlich den ganzen Tag schlecht gelaunt, weil ich hier fest sitze! Dazu kommt noch, dass wir einen dermaßen schönen Frühling haben, das es fast unwirklich wirkt. Aber mir fallen langsam Details auf. Alles blüht und blüht, ich habe das Gefühl, dass wir mehr Vögel haben als sonst. Diese liefern sich ganze Symphonien. Wahrscheinlich, weil sie die Flugzeuge nicht mehr übertönen müssen, sondern nur noch den Nachbarn. Gut, dass das Ganze drei Monate gedauert hat. Ich habe wirklich all diese Zeit gebraucht, um Frieden zu finden, ruhig zu werden, habe mich durch "Ein Kurs in Wundern" gekämpft und bin nicht fertig geworden (ich wusste da noch nicht, dass auch dieses Jahr noch ein ähnlicher Herbst kommt und ich doch noch fertig werde). Habe angefangen die Natur noch genauer zu beobachten, viel zu photographieren. Vor allem unsere wilden Orchideen, deren Blütezeit der Frühling ist. So einen Frühling haben wir selten, alle Blumen haben sogar schon um einen Monat früher geblüht als sonst. Wir haben auch ein Falkenpärchen, war noch nie da. Martha und Henry. Ich glaube nicht, dass ich es jemals geschafft hätte Fotos von ihnen zu machen ohne all der Zeit. Und auch meditieren, zuerst für mich, dann für alle, fürs Feld (unser aller Feld), für den Frieden und damit alle den Frieden dieses Stückchen Erde spüren können, die Schönheit der Natur. Das wenige, das ich wirklich machen konnte, nachdem ich meine Ruhe gefunden habe. Und vor allem mit den finanziellen ängsten umzugehen, die sich natürlich nicht in Luft aufgelöst haben. Insgesamt eine gute, für mich sehr nachhaltige übung, zu der ich sonst tatsächlich nicht gekommen wäre und für die ich jetzt sehr dankbar bin.